Die Star Tribune hat veröffentlicht, was die Wahlleitung in Minnesoter unter „voter intend“ versteht. Offensichtlich werden bei der Neuauszählung der Wahlzettel vor allen Dingen diejenigen kritisch begutachtet, die von den automatischen Wahlzettel-Scangeräten als „nicht korrekt ausgefüllt“ gezählt wurden.

Wie man auf der verlinkten Seite erkennt, ist der Wähler dazu aufgefordert, einen Kreis vor dem Namen des Kandidaten komplett zu Schwärzen. Dennoch kann bei einer solch knappen Wahl der „intend“, also die Absicht des Wählers klar auf dem Wahlschein vorhanden sein, obwohl er dieses Schwärzen nicht korrekt vorgenommen hat. So erkennt die Wahlleitung sowohl die Umkreisung des Namens eines Kandidaten als auch ein Kreuz im Kreis, ein Kreuz hinter dem Namen, ein „Checkmark“, also einen Haken im Kreis sowie auch das Nachträgliche durchstreichen der Ursprünglichen Auswahl und das korrekte ausfüllen des Kreises des anderen Kandidaten an. Ebenso als korrekt gilt, wenn ein Wähler eventuell nur einen kleinen Teil eines Kreises angefangen hat auszufüllen, dann aber den des anderen Kandidaten komplett geschwärzt hat.

Die bisherigen Änderungen in der Anzahl ausgezählter Stimmen erfolgten laut Medienberichten aufgrund von falsch übermittelten Zahlen per Telefon. So wurde in einem Fall eines Bezirkes anstatt 500+ Stimmen für Al Franken 400+ Stimmen übermittelt. Der abschließende Vorsprung von Norm Coleman beträgt bei 2,9 Millionen abgegebener Stimmen nunmehr lediglich 221 Stimmen. Dies ist ein Prozentsatz von unter 0,01. Trotzdem speien die Anhänger der Republikaner weiterhin im Forum der Star Tribune Gift und Galle, es fallen Begriffe wie Acorn etc. pp. Jedweder Hinweis auf menschliche Fehler bei der Auszählung (die ja nun offensichtlicher weise dutzendfach vorkamen, der ursprüngliche Abstand betrug mehr als 700 Stimmen) werden mit Wahlbetrugsvorwürfen quasi abgeschmettert.

Mir persönlich will es einfach nicht in den Schädel, wie man so denken kann. Sicherlich kann man einen Kandidaten mehr mögen als einen anderen. Ich kann Menschen in Minnesota verstehen, die mit der Tatsache, dass Al Franken linke Einstellungen vertritt und als Comedian in „liberalen“ New York bei Saturday Night Live „Millionen“ verdient hat, nur um dann damit er gewählt werden kann nach 20 Jahren in seinen Heimatstaat zurück zu kehren, nicht umgehen können. Franken hat knapp 3 Millionen US-Dollar mehr für seinen Wahlkampf ausgeben können als Coleman. Dessen Anhänger scheinen mehr als verbittert über diesen Umstand zu sein. Zum Vergleich jedoch sei dann noch der unabhängige Kandidat genannt – er hat mit knapp 80.000 Dollar (ungefähr die Kosten der Neuauszählung) einen Stimmanteil von 15% erreicht – er war quasi die Wahl „keinen von da oben“ – sprich keiner von den beiden Parteien. 15% der Bürger, die zur Wahl gekommen sind, haben offensichtlicher Weise die Nase voll von den beiden großen Parteien, wenn es um die Bundesstaatliche Ebene geht. Es ist anzunehmen, dass viele zur Wahl gegangen sind, weil sie ihre Stimme für die Präsidentschaftswahl unbedingt abgeben wollten, ihnen die lokale Senatorenwahl aber nahegerade zuwider war, weil sie mit negativen Wahlkampf-Werbespots in einer gewissen Widerwärtigkeit nicht mehr zu überbieten war. Alleine aus diesem Grunde stehe ich persönlich mehr auf der Seite von Al Franken. Ob er mit seinem Hintergrund als Komiker eine gute Wahl ist, weiß ich nicht. Irgendwie kommt das Gefühl durch, als wähle man nach Norm Coleman das geringere Ãœbel. Es ist mehr als Schade, dass die Demokraten keine puren Politiker hervorbringen können, um den Senatorenposten zu erstreiten, obwohl Coleman es nicht vollbringt, einen fairen Wahlkampf zu führen.

Man muss sich das mal auf der Zunge zergehen lassen: Norm Coleman erklärt sich selbst zum Sieger, während er knapp über 300 Stimmen Vorsprung hat. Im Forum der Star Tribune werfen sich die Bürger gegenseitig Fäkalwörter an den Kopf und bezichtigen sich des Wahlbetrugs. Ich habe seit knapp 24 Stunden so extreme Flashbacks dass es weh tut.

Wie kann es sein, dass die angebliche Vorzeigedemokratie der Welt es immer noch nicht gelernt hat? Es gibt Wahlgesetze dort, die bei einem Vorsprung von weniger als 0,5 Prozent eine Neuauszählung vorsehen. Der Fall tritt ein und auf einmal kommen die ganzen Kellerasseln aus ihren Löchern, die es immer noch nicht begriffen haben. Obwohl es mehr als ein Dutzend Dokumentationsfilme, dutzende Bücher und offene Eingeständnisse der großen TV-Stationen gibt, dass sie die Wahl in Florida zum Präsidentenamt 2000 falsch angegangen sind, dass Fehler gemacht wurden, dass es im Endeffekt eine „Schande“ („Disgrace“) gewesen ist, dass kritiklos angebliche Fakten einfach übernommen wurden

Wie man es richtig macht hat CNN dieses Jahr gezeigt, in dem sie bis zum 11 Uhr EST gewartet haben, bevor sie mit absoluter Sicherheit sagen konnten, dass Barack Obama Präsident ist, ohne auch nur einen Staat der knapp war fälschlicherweise irgendeinem Kandidaten einfach so zuzuordnen.

Und in Minnesota? Da macht der Kandidat der Republikaner genau das, was schon 2000 in Florida passiert ist, und seine Anhänger jubeln ihm zu.

Nur um eins klar zu stellen: ich mag Al Franken, doch auch ich sehe ihn nicht völlig ohne Kritik. Nur: die Vorgehensweise von Norm Coleman mit einer Reihe von Attack-Ads nicht nur durch ihn sondern auch durch die ihn unterstützenden Gruppen, mit nichts anderem als Lügen in Richtung Al Franken hat mich bereits bis zum es-geht-nicht-mehr angekotzt. Wie kann es sein, dass sowas in einer Demokratie überhaupt erlaubt ist? Dass man nichts anderes tut als lügen, um sein Amt zu sichern? Und wenn man dann in einen Bereich kommt, der mit Nichten als absolut zu bezeichnen ist, sich einfach zum Sieger erklären kann, ohne dass dieser „Sieg“ vom Gegenkandidaten akzeptiert wurde? Wie geht das? Wie? Wie kann es ihm nicht vom Bundesstaat einfach verboten werden, dass er so etwas behauptet? Mehr als 2,9 Millionen Stimmen wurden abgegeben und er hat knapp 300 Stimmen Vorsprung. Das sind 300/2900000 = 0,01 Prozent. Das ist ein Fünfzigstel dessen, was noch eine Neuauszählung bedeuten würde. Nochmal: es würde neu ausgezählt, wenn der Abstand 15.000 Stimmen betrüge. Coleman erklärt sich zum Sieger, weil er 300 Stimmen Vorsprung hat.

DAS nenne ich mal Demokratie.

8 Jahre Dunkelheit haben ein Ende!

Aber einige Rennen sind noch offen – 25% erst ausgezählt in Minnesota im Rennen um den Senatsplatz zwischen Al Franken und Norm Coleman. Hier kann man weiter verfolgen, ob es auch im Senat eine große Mehrheit für die Demokraten geben wird.

Alles sieht danach aus, als ob die Demokraten in allen drei Teilen der Regierung die Mehrheit erreichen werden. Jetzt stellt sich die Frage, wie viele Wahlmänner Obama am Ende erreichen wird und wie viele Menschen ihn absolut gewählt haben. Je mehr Stimmen desto stärker kann er sich gegen seine eigene Partei stellen in Senat und Repräsentantenhaus, wenn es um Vetos gerade gegen die doch oft mit viel Geld von Firmen unterstützten Senatoren geht. Je mehr Stimmen Obama erhält, desto revolutionärer kann er Politik machen

Ich hab da mal etwas aus der Late Late Show rausgepfriemelt:

Aber John McCain ist selbst auch ein wirklich guter Schauspieler (wenn er nicht grad wieder in ein Fettnäpfchen tritt wie z.B. im Westen von PA). Samstag war er bei SNL und hat einen wirklich guten Sketch mit Tina Fey dargeboten – ich muss sagen allererste Sahne.

Wenn der gute Mann sich in den letzten 18 Monaten nicht in seinen politischen Meinungen um 180 Grad gedreht hätte, nur um wählbar zu werden, dann könnte man wirklich unbeschwert drüber lachen. Die Teller, die er da anpreist, sind ungefähr so leer wie seine Versprechungen. Alles gar nichts im Vergleich zu dem, was er 1999 noch bei der Kandidatur zum Präsidentschaftskandidaten gegen George W. Bush sagte und bis vor nicht allzu langer Zeit bei der Daily Show. Einfach mal auf deren Webseite in den Videos nach McCain suchen. Es ist wirklich erschreckend, wie sehr er alles geändert hat in seinem Programm. Ich weiß gar nicht, wie sehr man sich jeden Tag innerlich selbst belügen muss, um von heute auf morgen seine Position so diametral zu ändern. Es ist zum heulen.

Zum Abschluss noch ein paar lustige Anekdoten (auch aus Real Time: 25% der Amerikaner halten Obama für einen Moslem, obwohl er in den letzten 10 Jahren regelmäßig in die Kirche ging. McCain tat das nicht und alle halten ihn für einen bibeltreuen Christen. Wie kann es sein, dass Obama sich am Anfang der Kampagne vor einem Jahr für den Priester seiner Gemeinde entschuldigen bzw. von ihm distanzieren sollte, während ihn heute ein Viertel der Bevölkerung dort drüben für einen Moslem halten?

Diese Ignoranz ist einfach unerträglich. Hoffentlich schaffen es die 75% der restlichen Bevölkerung, die Dummheit der anderen auszugleichen. 36 Stunden noch, dann haben wir hoffentlich endlich alle wieder was zu lachen. Aber dann richtig.